Glaubensfrage Corona

Als am 28.01.2020 über den ersten Corona-Fall in Deutschland berichtet wurde, hat sich wahrscheinlich niemand zum Ende des Jahres die Situation vorgestellt, die wir jetzt haben. Von Ausbrüchen von Erkrankungen, mit denen man bisher noch keine direkte Berührung hatte, hat man schließlich schon öfter in den Medien gehört, und diese waren schließlich meist 'weit weg' oder haben sich auch irgendwann wieder erledigt. 


Anfang Februar waren in der Apotheke plötzlich OP- und FFP2-Masken stark nachgefragt und ziemlich schnell ausverkauft. Und nicht nachbestellbar. Beim pharmazeutischen Großhandel lief sogar eine vorabgeschaltete Bandansage, dass aufgrund der hohen Nachfrage keinerlei Masken verfügbar wären. In den Medien wurde über mehrere bestätigte Infektionen berichtet. Auch zu dem Zeitpunkt war es für mich noch weit weg und sicher bald wieder erledigt, bis im März die ersten Infektionen auch hier in der Stadt ankamen und der Lockdown angeordnet wurde. 

Schulschließungen, Herunterfahren des Öffentlichen Lebens, Kontaktbeschränkungen, damit sich SARS-Cov-2 bald nicht weiter verbreiten kann. 
Dass die gewünschte Normalität wahrscheinlich auch noch im nächsten Jahr ausbleiben wird, habe ich im März noch nicht angenommen. Dass die globale Pandemie zu einer gesellschaftlichen Glaubensfrage wird, allerdings ebenso wenig. 

Ja, es macht müde. War man am Anfang vielleicht noch optimistisch, wenn wir uns jetzt alle ganz doll zusammenreißen, ist es bald vorbei - ist es jetzt Aushalten und Ungewissheit auf unbestimmte Zeit. 
Es ist verständlich, in unsicheren Situationen schnelle Lösungen, und einfache Antworten haben zu wollen. Einfache Antworten auf komplexe Situationen mit sich ständig verändernden Erkenntnissen sind jedoch unmöglich, und das ist oft scheinbar nur schwer zu akzeptieren.

Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben viele hart getroffen. 
Das Corona-Virus aber eben auch. Und das nicht, weil es (wie eigentlich schnell seit Beginn der Pandemie klar gewesen sein sollte) 'ein gefährliches Killervirus ist' - sondern sich schnell verbreitet, und dadurch im Zusammentreffen mit einer immunnaiven Bevölkerung die Gesundheitssysteme überlastet. Da mittlerweile klar ist, dass das Virus nicht mehr verschwinden wird, ist es Aufgabe der Wissenschaft und Politik Wege zu finden, vor steigenden Infektionen aber auch vor den gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu schützen. 


"Das ganze Theater wegen 'nem kleinen Schnupfen"...

'... Covid-19 ist auch nicht anders als eine Grippe, da sterben auch Menschen dran.' 


Für einen Großteil der Bevölkerung trifft das zu: Für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ist das Risiko eines schweren Covid-Verlaufes im Vergleich zur Grippe sogar geringer (Und ich bin ehrlich gesagt auch froh, es in einer globalen sich schnell verbreitenden Pandemie nicht mit einem "gefährlichen Killervirus" zu tun zu haben). 
Ab einem Alter von 65 Jahren steigt dieses Risiko jedoch. Hospitalisierte Covid-Patient*innen müssen bis zu drei mal länger im Krankenhaus behandelt werden als Influenza-Patient*innen und versterben dort auch häufiger. 
Mehren sich die Infektionen flächendeckend und gleichzeitig in der Bevölkerung, ist nachvollziehbar, dass diese Zahlen steigen und auch die Behandlungskapazitäten für Patient*innen mit anderen Erkrankungen sinken würden. Darum geht es seit Anfang an. 

Gern wird zum Vergleich auch die Zahl von 25100 Grippe-Toten in der Saison 2017/2018 angeführt. Diese Zahlen lassen sich jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer vergleichen. 
Zum einen ist die Zahl 25100 die geschätzte Zahl (ermittelt anhand der Übersterblichkeit der Saison), laborbestätigte Fälle lagen in diesem Jahr bei 1674
Im Gespräch über Corona-Infektionen und -Todesfälle wird die Phrase "in Zusammenhang mit" also polemisch genutzt um zu behaupten die Personen seien ja gar nicht "an der Krankheit" gestorben - und gleichzeitig werden zum relativieren der Corona-Virus-Erkrankung Zahlen genutzt, die sich ebenfalls aus hochgerechneten Zahlen ergeben. 

"Die Zahl der mit Influenza in Zusammenhang stehenden Todesfälle wird – vereinfacht dargestellt – als die Differenz berechnet, die sich ergibt, wenn von der Zahl aller Todesfälle, die während der Influenzawelle auftreten, die Todesfallzahl abgezogen wird, die (aus historischen Daten berechnet) aufgetreten wäre, wenn es in dieser Zeit keine Influenzawelle gegeben hätte. Das Schätz-Ergebnis wird als sogenannte Übersterblichkeit (Exzess-Mortalität) bezeichnet." RKI: FAQ Influenza


Zweitens beziehen sich die Zahlen auf den Zeitraum der gesamten Grippesaison, also von Herbst 2017 bis Frühjahr 2018 - somit könnten brauchbare Vergleiche erst im Frühjahr nächsten Jahres gezogen werden, wenn Daten über einen gesamten vergleichbaren Zeitraum vorhanden sind. Und selbst dann wird es schwierig die reinen Fallzahlen direkt zu vergleichen, da die Teststrategien sich in beiden Fällen  unterscheiden. 
Und last but not least, die verzeichneten Corona-Todeszahlen sind unter ganzjährigen Abstands-, und Hygieneregelungen sowie strengen Lockdown-Bestimmungen zu Stande gekommen. Tatsächlich  vergleichbar wären die Zahlen dann, wenn keine oder nur die in Grippewellen üblichen Maßnahmen zur Infektionseindämmung getroffen worden wären. 

"Aber es sind doch noch genug Intensivbetten frei!"

'Ich kenne keinen der es hat, komisch oder?'
'Ich sehe die Leute nicht wie die Fliegen am Virus sterben'
'25 Intensivbetten sind bei uns belegt, das ist doch ein Witz!'

In Deutschland ist bisher keine Übersterblichkeit zu erkennen, was darauf schließen lässt, dass die Maßnahmen offensichtlich wirken - denn schaut man in andere Länder, fallen die Zahlen deutlich anders aus. In der Vorbereitung auf die zweite Welle wurde hierzulande einiges (wenn auch nicht alles) richtig gemacht, und es wurden Intensivbetten bereitgestellt die aktuell auch noch nicht überall ausgelastet sind. Sollte man sich nicht eher freuen, wenn diese noch nicht im vollen Umfang benötigt werden? Würden die Leute die schweren Verläufe so wie die Todeszahlen auch ins lächerliche ziehen, wenn eigene Angehörige davon betroffen wären (Ach naja jetzt ist die Oma halt gestorben, aber wär's das nicht gewesen hätte sie halt auch ne Grippe kriegen können)? Wäre es besser, wenn möglichst viele Menschen sterben oder schwere Verläufe haben, damit möglichst viele Menschen glauben, dass die Pandemie echt ist und beginnen mehr Rücksicht zu nehmen? 


"AHA - Alle Haben Angst" 

'Wacht doch mal auf!!!'

In der Skeptiker-Rhetorik sind diejenigen, die die pandemische Lage realistischerweise ernst nehmen blind vor Angst. Im Ernst, ich kenne niemanden, der so viel Panik vor Corona hat oder verbreitet, wie die "Corona-Gegner" vor dem Untergang der Demokratie. 
Ich kenne niemanden der eine Maske trägt oder Kontakte vermeidet, weil er oder sie panische Todesangst vor einer Infektion hat. Es geht nochmal nicht um das gefährliche Killervirus, sondern die Verlangsamung der Verbreitung und dem Schutz der Risikogruppen. Und warum sollte man ein vermeidbares Risiko nicht auch versuchen zu vermeiden, auch wenn es darüber hinaus noch weitere Risiken gibt?  

"Zutritt nur mit Mund-Nasen-Bedeckung"

Seit April besteht Maskenpflicht in Geschäften, öffentlichen Einrichtungen, öffentlichen Verkehrsmitteln etc.
Leider sehen die Masken einiger Menschen auch so aus, als würden sie von April an bis jetzt auch die selbe tragen. Oder sie werden so getragen, dass die Träger*innen es sich eigentlich gleich sparen könnten. Unter dem Kinn, nur über dem Mund, nur über der Nase. Mittlerweile gibt es glaube ich keine Variante, die ich noch nicht gesehen habe. Und ich frage mich, haben diejenigen noch nie eine Arztserie gesehen oder waren in Behandlung bei einem Zahnarzt? Und wenn nein, wo waren sie in den letzten Monaten, in denen ausführlich über die Bedeutung und die Anwendung von Mund-Nasen-Bedeckungen und Atemschutzmasken aufgeklärt worden? 

Nochmal zusammengefasst: 
Eine OP- oder Alltagsmaske gehört sowohl über Mund und Nase, ist möglichst nach einmaliger Anwendung zu wechseln, und schützt das Gegenüber vor einer Infektion. 
Für die Anwendung von FFP2 oder FFP3-Atemschutzmasken gilt das selbe, sie schützen die Träger*innen vor einer Infektion - haben diese Masken ein Filter-Ventil schützen diese das Gegenüber nicht. 
Bei korrekter Handhabung und Hygiene (!) ist das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen eine sinnvolle Maßnahme zur Eindämmung der Virusübertragung. Da die in der Ausatemluft enthaltenen Aerosole und Tröpfchen allerdings nicht zu 100 % zurück gehalten werden können, ist zusätzlich die Einhaltung eines Mindestabstandes notwendig um die Wirksamkeit der Maßnahme zu verbessern.

Für in gewisser Hinsicht berechtigt halte ich die Kritik am Umgang mit Personen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können. Here's why:
Auch wenn sich leider viele nur "aus Protest" 'nen Attest holen, und sich rücksichtslos benehmen um zu provozieren, muss man anerkennen, dass es tatsächlich Menschen gibt, die "dieses Stück Stoff" nicht tragen können, aus welchen Gründen auch immer, auch "nicht mal nur für fünf Minuten". 
Ich als gesunde Person kann mir absolut nicht vorstellen, was das Problem sein soll, das Ding halt kurz zu tragen, aber nur weil ich es mir nicht vorstellen kann, heißt es nicht, dass es keine Personen gibt, bei denen das eben so ist. 
Dass betroffene Personen sich dennoch rechtfertigen müssen oder von Teilen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen werden finde ich nicht grundsätzlich richtig, denn genau dafür ist die Ausnahme in der Verordnung doch gedacht.
Es ist moralisch nicht vertretbar in der Pandemie vor allem die Risikopatient*innen zu isolieren, aber gegenüber denjenigen, die aus ärztlich bestätigten Gründen Schwierigkeiten mit einer Mund-Nasen-Bedeckung haben, den Finger zu erheben, wenn sie an normalen Aktivitäten teilnehmen, wird dem Solidargedanken meiner Meinung nach auch nicht gerecht. 
Wenn sich das Infektionsrisiko reduziert, da der überwiegende Teil sich an die Maßnahmen hält, so ist ebenso die Chance geringer, dass eine Person mit Attest infiziert ist und andere ansteckt. Die Person zu shamen und zu behaupten "wenn wegen ihr am Ende jemand stirbt, fragt auch keiner mehr nach einem Attest" finde ich populistisch. 
Natürlich wünsche ich mir auch von befreiten Personen einen verantwortungsvollen Umgang was alle anderen Maßnahmen betrifft. 

Lockdown

Nach den steigenden Infektionszahlen Ende Oktober, war so gut wie klar, dass ein zweiter Lockdown bevorsteht. Ein Wellenbrecher sollte es sein, und nun sind wir seit fast einem Monat mitten drin und da die Zahlen immer noch nicht sinken, wird uns das wohl noch eine Weile verfolgen. Hier wird es wieder zur Glaubensfrage; einige sind der Meinung, der Lockdown "light" müsse noch viel härter sein, andere wiederum sehen den Schaden in keinem Verhältnis zum Nutzen. Ich kann beides nicht verstehen.

Einen noch härteren Lockdown kann man sich denke ich nur wünschen, wenn es einem selbst gut genug geht, und man den Blick über den Tellerrand vollständig ausblendet. Es gibt genügend andere Aspekte, außer das Virus selbst, vor denen Menschen geschützt werden müssen: Einsamkeit/Isolation, abusive relationships, finanzieller Ruin/Unsicherheit, Burnout durch Doppelbelastung (Home-Office/Homeschooling) etc. 
Statt diese Probleme im Gegensatz zum "übergeordneten Zweck" der Pandemie-Bekämpfung zu bagatellisieren, erfordert es in meinen Augen mehr Empathie und einen differenzierten Blick als den erhobenen moralischen Zeigefinger. Sich unverstanden und nicht gesehen zu fühlen, fördert wahrscheinlich kaum die Akzeptanz der Maßnahmen in einer ohnehin schon schwierigen Lage. 
Statt einem generellem verschärften Lockdown wünsche ich mir mehr Aufklärung, Vernunft und Menschenverstand. Möglicherweise auch stärkere Kontrollen und Strafen wo es notwendig ist anstatt pauschale Verbote. Es ist für mich auch nicht ganz nachvollziehbar warum  zum Beispiel Restaurants, die den ganzen Sommer an Hygienekonzepten gearbeitet haben nun wochenlang komplett schließen müssen - während sich dadurch wahrscheinlich vermehrt Personen (ohne Hygienevorschriften) im Privaten treffen - und warum es als provokant oder populistisch gilt, wenn auch die Nachteile des Lockdowns in TV-Talkshows thematisiert werden. 
Ich frage mich aber auch wieviel diejenigen, die in den Maßnahmen ausschließlich den Schaden und den Untergang der lokalen Geschäfte sehen, vorher dafür getan haben, diese zu unterstützen, anstatt billig im Internet zu bestellen oder an gutem Essen/Handwerk etc. zu sparen. 

Dass die Fallzahlen nicht im gewünschten Maße sinken, wie sie es während des Lockdowns im Frühjahr taten, kann nicht ausschließlich in den damals strengeren Maßnahmen begründet werden, Experten vermuten hierbei ebenfalls einen saisonalen Effekt - für den nun ausbleibenden schnellen  Rückgang der Infektionszahlen ist demnach auch, aber nicht nur, die Unvernunft einiger Leute verantwortlich.
Da seit dem erneuten Lockdown die täglichen Fallzahlen zumindest gleichbleiben anstatt weiter zu steigen zeigen die Maßnahmen im Allgemeinen aber bisher auch ihre Wirkung. 
Das Argument, "jetzt wird ja wieder weniger getestet, dann ist klar, dass dann die Zahlen wieder abflachen" kann aber leicht entkräftet werden, wenn man sich die Wochenberichte des RKI anschaut. 
Die Teststrategie wurde zwar dahingehend verändert, dass nur noch in konkreteren Verdachtsfällen getestet werden soll als bisher, da diese zur Zeit aber auch häufiger auftreten, führt das nicht zu einer generellen Reduktion der Anzahl der durchgeführten Tests (So wurde in KW 46 mit 1.384.943 Tests trotzdem noch mehr getestet als in KW 42). Eine weitere Kennzahl die die Behauptung widerlegt, ist die Positivenquote, die ebenfalls dem wöchentlichen Situationsbereicht zu entnehmen ist und im Moment weiter steigt. 

Wir werden sehen, wie sich die Lage in der nächsten Zeit entwickelt, ich hoffe auf differenzierte Lösungen als einen monatelangen Lockdown.

Ein wichtiger Baustein um mit dem Virus leben zu können, sind Impfstoffe. Seit Ausbruch der Pandemie forschen Unternehmen weltweit an möglichen Impfstoffkandidaten, ein guter aktueller Überblick über die verschiedenen Projekte findet sich in der NY Times. Zuletzt gab es positive Zwischenmeldungen aus zwei Phase III Studien verschiedener Projekte. 
Aber wie sieht die Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber Corona-Impfstoffen überhaupt aus? Wenn man Kommentare im Internet liest eher bescheiden. 

"Sollen die da oben sich mal schön als erstes impfen, ich verzichte gerne!" 

Das Vertrauen in einen potentiellen Impfstoff ist einerseits durch allgemeine Desinformation von Impfgegnern in den letzten Jahren geschwächt, aber im speziellen auch durch Bedenken hinsichtlich der verkürzten Entwicklungsdauer, sowie Skepsis gegenüber den angewendeten neuartigen Methoden. 

Dass man skeptisch gegenüber einem neuartigen Impfstoff ist, dessen (möglicherweise schwerwiegenden) Langzeitfolgen noch gar nicht erforscht sind, ist für mich nachvollziehbar.
Dann verstehe ich nur nicht, warum dieselben Leute gleichzeitig ein neuartiges Virus, das sogar bekanntermaßen schwerwiegende bis tödliche Folgen haben kann, als völlig harmlosen 'Schnupfen' sehen.

Desöfteren erfolgt im Zusammenhang auch der Contergan®-Vergleich, auch dieser hinkt allerdings, wenn man bedenkt, dass dieses Arzneimittel in einer Zeit vermarktet wurde, in der es heutige Zulassungsstandards so noch gar nicht gegeben hat. Die Pharmafirmen waren mehr oder weniger selbst dafür verantwortlich vor dem Inverkehrbringen die Arzneimittelqualität und -Sicherheit zu gewährleisten. Erst der Skandal - der im Übrigen daraus bestand, dass das Produkt Contergan® (mit dem Wirkstoff Thalidomid)  völlig unkritisch an Schwangeren verabreicht wurde - führte zu einer Reform der Arzneimittelgesetze. Unter anderem mit verpflichtenden präklinischen Sicherheitsstudien bezüglich der Teratogenität. 
Und wieviele sichere Arzneimittel wurden seit dem grob fahrlässigen Unglück im Gegensatz auf dem Markt gebracht? 

Die Forschung und Entwicklung an einem neuen Impfstoff dauert in der Regel 8-17 Jahre
Der erste Teil ist zunächst die Findung des Antigens sowie die präklinischen Versuche (in der Regel Tierversuche). Danach beginnt die klinische Phase, welche nach internationalen ethische und wissenschaftlichen Qualitätsstandards gemäß ICH-E6-Leitlinie durchgeführt wird. 
In Phase I wird an einer kleinen Proband*innenzahl (ca. 30)  die Sicherheit und Veträglichkeit des Impfstoffkandidaten erprobt. Darauf folgen Phase II-Studien in denen die Immunogenität und Sicherheit bestätigt werden, sowie eine geeignete Dosis und Impfschemata gefunden werden sollen. Diese Studie wird mit mehreren Hundert Proband*innen durchgeführt, bevor die letzte Phase III beginnt. 
In Phase III werden etwa mehrere Tausend Teilnehmer*innen eingeschlossen, sie dient letztendlich als Wirksamkeitsnachweis, worauf basierend die Zulassung erteilt werden kann. Langzeitfolgen und seltene Nebenwirkungen kann man jedoch in der Regel erst nach der Zulassung erfassen, weshalb nach Marktrelease noch weiterhin Postmarketing-Studien (Phase IV) durchgeführt werden. 

Dass potentielle Impfstoffkandidaten nun quasi das Verfahren im Schnelldurchlauf durchgemacht haben, kann einerseits Zweifel an der Sicherheit aufkommen lassen. 
Auf der anderen Seite haben Forscherteams weltweit nun mal gleichzeitig an einer Sache geforscht und die notwendige finanzielle Unterstützung erhalten. Durch dieses Engagement konnte sehr schnell das Virus-Antigen gefunden und die präklinische Phase schnell eingeleitet werden. 
Methoden zur Impfstoffentwicklung sind jahrelang bekannt und gut erforscht, sodass nicht erst ein neuartiger Wirkmechanismus gefunden werden muss. Auch die bisher noch nicht für zugelassene Impfstoffe eingesetzte Vektor- und mRNA-Technologien sind in der Forschung erprobt und das Anwendungsprinzip bekannt. Zusätzlich bearbeiten die Behörden aufgrund der Dringlichkeit Anträge schneller als üblich, viele Hersteller kombinieren verschiedene klinische Phasen (was generell nicht unbedingt unüblich ist) und es werden Rolling Review Verfahren eingeleitet (Die benötigten Daten für eine Zulassung werden bereits bearbeitet bevor die Phase III abgeschlossen ist).

In Anbetracht all dieser genannten Faktoren halte ich einen entwickelten Impfstoff wahrscheinlich trotz der schnellen Entwicklung für sicher, würde aber wahrscheinlich selbst auch noch etwas abwarten. 
Angenommen Anfang 2021 würde bereits der erste Impfstoff zur Verfügung stehen (Zu dem Zeitpunkt wären die Phase III Studien der bisher vielversprechendsten Kandidaten aber schon jeweils ein halbes Jahr mit 30000 Teilnehmer*innen gelaufen), wäre ich nach aktuellem Plan ohnehin noch nicht dran. 

"Wer weiß, ob die RNA-Impfstoffe nicht das Erbgut verändern! Sowas lass ich mir bestimmt nicht spritzen!"

Es wird ein Impfstoff innerhalb eines Jahres entwickelt, mit Methoden die vorher noch nicht angewendet wurden, und dann auch noch mit RNA - ohne medizinisch-biologische Hintergrundkenntnisse klingt das verständlicherweise schon irgendwie beunruhigend und ohne weiter gehende Erklärung kann sich schnell auch Halbwissen verbreiten.

mRNA hat in dem Sinne nichts mit der genetischen Information (DNA) die sich im Zellkern befindet zu tun. mRNA sind Moleküle die einen Code für den Bau von Proteinen darstellen. Sie werden im Zellplasma von Ribosomen abgelesen und dabei werden Schritt für Schritt Proteinbausteine zusammengefügt, bis ein ganzes Molekül "fertig" ist. Die mRNA wird im Nachhinein schnell wieder im Körper abgebaut.
Die mRNA-basierenden Coronavirus-Impfstoffe enthalten jeweils die mRNA, die die Bauanleitung für das Hauptantigen des SARS-CoV-2, das Spike-Protein , enthält.
Wer vor dieser Methode Bedenken hat, sollte mindestens genauso viele Bedenken vor einer Virusinfektion haben, denn genau so funktioniert eine Ansteckung mit Viren: 
Das Virus heftet sich an die Zelle, schleust sich hinein, setzt seine RNA frei, die in der Wirtszelle abgelesen wird, sodass das alle Virusbestandteile neu gebaut werden und sich das Virus so vervielfältigen kann. 
Werden bei den herkömmlichen Impfstoffmethoden abgeschwächte bzw. tote Erreger, oder nur Spaltprodukte des Erregermaterials verwendet, ist bei der mRNA-Methode der Vorteil, dass die verwendeten Viren nicht erst in ausreichender Menge aufwendig kultiviert werden müssen, sondern der Körper das Antigen selbst produzieren kann. 

Eine ähnliche neuartige Methode ist die Verwendung von Vektorviren, diese kam bereits in einem Impfstoff zur Bekämpfung der Ebola-Epidemie zum Einsatz. 
Bei dieser Methode wird die genetische Information die im Falle des Corona-Virus für das Spike-Protein steht, in einen harmlosen Trägervirus eingebaut. Gelangt dieses Trägervirus in eine körpereigene Zelle, setzt dieses dort seine RNA zum Ablesen frei, und der Körper kann daraus das Antigen selbst produzieren und die Abwehrreaktion induzieren. 

"Warum werden die Hersteller nicht für die Risiken haften, wenn der Impfstoff angeblich sicher sein soll???"

Im Arzneimittelrecht gibt es Regelungen, um Verbraucher*innen gegenüber Arzneimittelschäden abzusichern. Pharmazeutische Unternehmen werden für gewissen Fälle haftbar gemacht und sind verpflichtet, der oder dem Geschädigten eine Entschädigung zu zahlen. Dies gilt für sämtliche Arzneimittel, ebenso für Impfstoffe. Im Falle der Corona-Impfstoffentwicklung hat die EU die Hersteller nicht von der Haftung entbunden, jedoch ausgehandelt, dass die Kosten für eventuelle Haftungsschäden von ihr übernommen werden. Dieser Schritt ist also mehr ein Verhandlungsinstrument, ein Anreiz für die Firmen ihr Produkt im europäischen Raum zur Verfügung zu stellen, ähnlich einer Vorabzahlung einer bestimmten Menge Impfdosen vor Produktionsbeginn und sagt nichts über die Arzneimittelsicherheit aus. 
(Wenn man es so betrachtet, könnte man sich auch fragen, wieso es überhaupt Haftungsregelungen für Schadenfälle gibt, wenn Arzneimittel doch angeblich sicher sein!)


Kritik und Skepsis sind notwendig und berechtigt. Als am 28.01.2020 über den ersten Corona-Fall in Deutschland berichtet wurde habe ich mir nicht vorgestellt, dass ein Jahr später Leute auf Facebook oder Demonstrationen darüber streiten, ob eine weltweite Virus-Ausbreitung nur Fake ist. Ich hoffe jedenfalls sie ist irgendwann in absehbarer Zeit vorbei. 

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